Forstwirtschaftsplan als Projekt

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschl. v. 09. Juni 2020 – 4 B 126/19 –, juris

Leit-  und Orientierungssätze

Ein Forstwirtschaftsplan ist als Projekt i. S. v. § 34 I 1 BNatSchG (juris: BNatSchG 2009) anzusehen, wenn anhand objektiver Umstände nicht ausgeschlossen werden kann, dass ein fragliches Gebiet erheblich beeinträchtigt wird.(Rn.57)

Für den Forstwirtschaftsplan ist allerdings eine Verträglichkeitsprüfung nach § 34 I 1 BNatSchG durchzuführen. Danach sind Projekte vor ihrer Zulassung oder Durchführung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura-2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder in Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen.

Die Vorgaben des Artikels 6 der FFH-Richtlinie 92/43/EWG, sind wirkungsbezogen und nicht vorhabenbezogen (BVerwG, Urt. v. 12. 11.2014 – 4 C 34.13 juris Rn. 29).

(Nachfolgend erfolgt eine Zusammenfassung der Entscheidung)

Gute Fachliche Praxis

Nach dem Willen des Gesetzgebers ist eine……Regeln der guten fachlichen Praxis entsprechende land-, forst- und fischereiwirtschaftliche Bodennutzung in der Regel kein Projekt i. S. d. § 34 I  1BNatSchG (vgl. BR-Drs. 278/09 S. 203 f). Etwas anderes kann gelten, wenn Besonderheiten der landwirtschaftlichen (hier: forstwirtschaftlichen) Nutzung im konkreten Fall mit den naturschutzfachlichen Gegebenheiten nicht zu vereinbaren sind. Das ist nur der Fall, wenn durch die Verwirklichung des Vorhabens zu einer erheblichen Beeinträchtigung eines Gebiets i. S. v. § 34 I BNatSchG  zu erwarten ist.

Eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebiets liegt dann vor, wenn es gegenüber den Erhaltungszielen bzw. dem Schutzzweck negativ verändert wird.

Im Habitatschutzrecht geht es um den Erhaltungszustand eines natürlichen Lebensraums (Art. 1 Buchst. e FFH-RL), im Vogelschutzrecht dagegen um den Erhaltungszustand einer Art (Art. 4 Satz 1 V-RL). Die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung erfordert einen Vergleich zwischen dem für den Fall der Projektrealisierung prognostizierten Zustand mit demjenigen Zustand, der sich ohne die Durchführung des Projekts ergeben würde.

Eine Beeinträchtigung kann u.a. durch den flächenmäßigen Verlust von Lebensräumen und der Bestandsdichte, der Störung und Fragmentierung von Lebensräumen, der Veränderung von Wasserressourcen oder der Wasserqualität erfolgen. Für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung ist ausreichend, wenn von einem Vorhaben ein maßgeblicher, wertbestimmender Bestandteil des Gebiets betroffen ist. Dies ist der Fall, wenn Gebietsteile betroffen sind, um derentwillen eine Unterschutzstellung erfolgt ist; Gegenstand einer möglichen Beeinträchtigung muss also nicht das gesamte Gebiet sein.

Gute fachliche Praxis und Projektbegriff nach § 34 I BNatSchG

Eine Legaldefinition des Projektbegriffs findet sich nicht im BNatschG, sondern in Art. 1 I a UVP-RL, wonach Projekte die Errichtung von baulichen oder sonstigen Anlagen sowie sonstige Eingriffe in Natur und Landschaft einschließlich derjenigen zum Abbau von Bodenschätzen sind. Diesen Begriff hat der Europäische Gerichtshof zur Auslegung des Projektbegriffs nach Art. 6 III FFH-RL herangezogen. Somit seien alle Tätigkeiten als „Plan“ oder „Projekt“ i. S. v. Art. 6 III FFH-RL einzustufen die die Eignung haben, die Umwelt zu beeinträchtigen.

Ob eine erhebliche Beeinträchtigung des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen drohe, ist eine naturschutzfachliche Frage, die abhängt von der Ausgestaltung der Schutzgebietsausweisung und der Schutzgebietspflege.

Die Feststellung einer erheblichen Beeinträchtigung erfordert einen Vergleich zwischen dem für den Fall der Projektrealisierung prognostizierten Zustand mit demjenigen Zustand, der sich ohne die Durchführung des Projekts ergeben würde.

Eine Beeinträchtigung kann etwa durch den flächenmäßigen Verlust von Lebensräumen und der Bestandsdichte, der Störung und Fragmentierung von Lebensräumen, der Veränderung von Wasserressourcen oder der Wasserqualität, dem Eintrag von Fremd- und Schadstoffen usw. erfolgen

Für die Annahme einer erheblichen Beeinträchtigung ist ausreichend, wenn von einem Vorhaben ein maßgeblicher, wertbestimmender Bestandteil des Gebiets betroffen ist, etwa wenn Gebietsteil betroffen ist, um derentwillen eine Unterschutzstellung erfolgt ist. Gegenstand einer möglichen Beeinträchtigung muss also nicht das gesamte Gebiet sein.

Aufklärungspflicht der Naturschutzbehörden

Für die Prognose einer erheblichen Beeinträchtigung ist erforderlich, dass die zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ausgewertet werden. Danach dürfen keine vernünftigen Zweifel an der erheblichen Beeinträchtigung oder umgekehrt an deren Ausbleiben bestehen (vgl. BVerwG, Urt. v. 17. Januar 2007 a. a. O., juris, Rn. 36)

Eine lediglich vorläufige und durch das Fehlen vollständiger, präziser und endgültiger Feststellungen und Schlussfolgerungen gekennzeichnete Erhebung ist nicht geeignet, jeden vernünftigen wissenschaftlichen Zweifel hinsichtlich der Auswirkungen eines beabsichtigten Vorhabens in einem Schutzgebiet auszuräumen (EuGH, Urt. v. 20. September 2007 – C-304/05 -, ECLI:EU:C:2007:532 [Santa Caterina Valfurva], Rn. 69).

Maßgeblich zu betrachten bei einem FFH-Schutzgebiet ist die Größe der von den Maßnahmen betroffenen Flächen und ihr Anteil an der Gesamtfläche des Lebensraumtyps, bei dem Vogelschutzgebiet die Anzahl der Exemplare einer Art, die in dem Gebiet gegenwärtig und prognostisch zu erwarten sind.

Konkretes Vorhaben:

Geplant war im Leipziger Auwald eine teilweise Umgestaltung des auf bestimmten Teilfläche vorhandenen Baumbestandes, namentlich durch Hiebmaßnahmen. Die verschiedenen forstwirtschaftlichen Maßnahmen zielen auf eine teilweisen Änderung des vorhandenen Bestandes. So waren Femelhiebe (Auslichtungen) Flächen mit einem Mindestdurchmesser von 30 bis 50 m durchgeführt Sie sollten auf eine jährlichen Fläche von 1,1 ha durchgeführt. Daneben werden Sanitärhiebe (Entnahme kranker Bäume) durchgeführt.

Bei den sogenannten Sanitärhieben handelt es sich im Unterschied zu den sonstigen forstwirtschaftlichen Maßnahmen, die u. a. auf die Herstellung eines altersgemischten Waldes abzielen, nicht um Maßnahmen der Gebietsverwaltung i.S.d. § 34 Abs. 1 S. 1  BNatSchG. In dem Managementplan für das FFH-Gebiet Leipziger Auensystem“ und das SPA-Gebiet „Leipziger Auwald“ seien keine Sanitärhiebe vorgesehen.

Das Gericht ist davon angenommen, dass eine FFH-Verträglichkeitsprüfung erforderlich sei.

Die Bedeutung der Entscheidung

Die Entscheidung enthält Aussagen zu der Frage, wie Maßnahmen der guten fachlichen Praxis von solchen abzugrenzen sind, in die zu einer Beeinträchtigung des Schutzgebietes führen können. Solche bedürfen einer Verträglichkeitsprüfung. Ferner verhält sich das Gericht zu der Frage, wann ausnahmsweise doch eine FFH-Prüfung vorzunehmen ist.

Von besonderer Bedeutung ist die Feststellung des Gerichts, dass die Prognose über mögliche in der Zukunft entstehende erhebliche Beeinträchtigungen der Erhaltungsziele eines Natura-2000-Gebietes einer umfassenden wissenschaftlichen Untersuchung bedarf. Die Naturschutzbehörden muss die ihr zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen Erkenntnisse ausschöpfen, bevor sie zu der Einschätzung gelangen, kann,  ob eine erhebliche Beeinträchtigung eines Erhaltungsziel nicht auszuschließen bzw. zu erwarten sind.

Lothar Hermes
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht

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