Nachbarklage gegen übergroßes Wohngebäude

 Klage gegen übergroßes Bauvorhaben im Blockinnenbereich
  OVG Hamburg, Beschl. v. 27.03.2017 – 2 Bs 51/17

Leitsätze:
Ein Bauvorhaben, das auf einer nicht überbaubaren Fläche eines Blockinnenbereichs errichtet werden soll, kann aufgrund seiner Massivität gegen das Gebot der Rücksichtnahme im Rahmen von § 31 II BauGB verstoßen. Das kann auch dann gelten, wenn es den bauordnungsrechtlichen Mindestabstand von 0,4 H auf dem Baugrundstück einhält.

Ein Nachbar, der sich gegen ein Vorhaben im unbeplanten Innenbereich wendet, kann die angefochtene Baugenehmigung abwehren, wenn das Bauvorhaben gegen das im Tatbestandsmerkmal des Einfügens enthaltene Gebot der Rücksichtnahme verstößt.

Das Gebot der Rücksichtnahme kann verletzt sein, wenn sich ein Vorhaben objektiv-rechtlich nach seiner überbauten Grundstücksfläche nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt. Ein den üblichen Rahmen (des sich Einfügens) überschreitendes Vorhaben ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn es in eine „harmonische Beziehung“ zur vorhandenen Bebauung tritt. Es dürfen keine bodenrechtlich beachtliche Spannungen entstehen, die eines Ausgleichs bedürfen.

Das Vorhaben darf auch keine Vorbildfunktion entfalten und dadurch Unruhe in den Bereich hineintragen, die nur durch eine Bauleitplanung wieder aufgefangen werden kann.

Konkreter Fall

Im konkreten Fall maß das Vorhaben, eine Wohngebäude eine bebaute Grundfläche von ca. 21 m x 45 m (Breite x Tiefe) auf und war in der näheren Umgebung des Vorhabens, im Blockinnenbereich ohne Vorbild. Deswegen wäre hier ein Planungsbedürfnis entstanden, weil durch das Vorhaben eine Freifläche in einem Blockinnenbereich in einer Weise großflächig bebaut werden soll. Damit wurde ein Missverhältnis zwischen dem Vorhaben und der es umgebenden Blockrandbebauung herstellt.

Abwehren können dies alle Eigentümer, deren Grundstücke U-förmig das Baugrundstück der Beigeladenen. umgrenzen.

Ein qualifizierter Verstoß gegen das Einfügensgebot, der eine Klagebefugnis einräumt, liegt hier auch darin, weil das Vorhaben zu unzumutbaren Beeinträchtigungen für die Ast. führt. Denn die beinahe vollständige Bebauung der bisherigen Freifläche in dem Blockinnenbereich belastet die Antragsteller in einer Weise, wie sie aufgrund der Umgebungsbebauung nicht zu erwarten war. Die vom Verwaltungsgericht angenommene abriegelnde Wirkung, die das Vorhaben mit einer Gebäudetiefe von ca. 45 m entfaltet, greift auch insoweit durch.

Bedeutung der Entscheidung

Das Oberverwaltungsgericht Hamburg hat hier dem Nachbarn unter bestimmten Voraussetzungen ein Abwehrrecht auch gegen das Maß (Größe) der geplanten Bebauung auf dem Vorhabengrundstück eingeräumt. Bislang war in der Rechtsprechung lediglich anerkannt, dass sich der Nachbar gegen die (gebietsfremde) Art der Nutzung erfolgreich zur Wehr setzen kann.

Lothar Hermes
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht