Fitnessstudio in Corona Zeiten, erfolgreicher Eilantrag

Entscheidungsformel:

§ 12 Abs. 3 Nr. 1 SARS-CoV-2-MaßnFortentwVO wird mit der Maßgabe außer Vollzug gesetzt, dass vor Öffnung der Fitnessstudios die verantwortliche Person ein Infektionsschutzkonzept nach § 5 ThürSARS-CoV-2-MaßnFortentwVO zu erstellen und nachzuweisen hat.
Thüringer Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 22. Mai 2020 – 3 EN 341/20 –, juris

I. Sachverhalt

Der Antragsteller betreibt ein Fitnessstudio in S. Er begehrt im Wege einer einstweiligen Anordnung die Außer-vollzugsetzung der Thüringer SARS-CoV-2-MaßnFortentwVO , der ihm den Betrieb seines Fitnessstudios auch bei Beachtung von Infektionsschutzvorschriften untersagt. Dies sei vor dem Hintergrund dass für den Breitensport im Indoor-Bereich solche Öffnungsmöglichkeiten geschaffen worden seien, nicht hinnehmbar.

II. Die Entscheidung

1.  Der Antragsteller ist als Inhaber eines Fitnessstudios antragsbefugt i.S.d § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO. Durch die mit der streitgegenständlichen Verordnung bewirkte Schließung seines Betriebes ist er in seinen Grundrechten aus Art. 14 GG und jedenfalls auch aus Art. 12 GG betroffen. Zudem ist er auch in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG betroffen.

2. Zweck der angegriffenen Verordnung ist die Verhinderung der Überlastung des Gesundheitssystems. Dieses Ziel wird durch die angegriffene Verordnung jedoch nicht in kohärenter und systematischer Weise, sowie den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 Abs. 1 GG verfolgt.

Zweifelhaft erscheint, ob der Antragsgegner die bereits mehrere Monate andauernde Entwicklung des Infektions-geschehens durch in erster Linie bloße Verlängerungen der Geltungsdauer und teilweise Ausdehnung der Betriebsverbote und -beschränkungen begleiten darf.

Der Senat hält es aber nicht für ausgeschlossen, dass ein nochmals verbessertes betriebliches Hygienekonzept (u.a. Nachweisen der Infektionsfreiheit vor Zugang zum Ladengeschäft, Maßnahmen zur Kontaktdatennachverfolgung, technischen Maßnahmen zum Austausch oder zur Reinigung der Raumluft) einhergehend mit einer Verbesserung der staatlichen Überwachung …als milderes, aber hinreichend effektives Mittel in Betracht kommen kann.

Die Schließung der Fitnessstudios ohne Ausnahmeregelung verletzt vorliegend den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verletzt.
Dieser gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln.
Der Schließung von Fitnessstudios nach § 12 Abs. 3 Nr. 1 Thüringer SARS-CoV-2-MaßnFortentwVO steht als milderes Mittel die Öffnung unter strikter Beachtung von Infektionsschutzvorschriften gegenüber, wie sie der Verordnungsgeber für den organisierten Sportbetrieb im Breiten-, Gesundheits-, Reha- sowie Leistungssport im Rahmen von Vereinen, Sport- und Freizeiteinrichtungen und -angeboten auch in geschlossenen Räumen anerkannt hat. Es bestehen erhebliche Anhaltspunkte dafür, dass gegenüber der vollständigen Schließung von Fitnessstudios gleich wirksame und effektive mildere Maßnahmen zur Gefahrvermeidung zur Verfügung stehen.
Der Verordnungsgeber selbst hat in § 12 Abs. 4 ThürSARS-CoV-2-MaßnFortentwVO für den Bereich sportlicher Betätigungen in geschlossenen Räumen mildere Mittel als die Unterbindung solcher Tätigkeiten anerkennt. U.a für den organisierten Breitensport besteht mit § 12 Abs. 4 ThürSARS-CoV-2-MaßnFortentwVO eine weitgehende Ausnahmevorschrift, mit der faktisch u.a. für den Bereich individueller sportlicher Tätigkeit in geschlossenen Räumen, das grundsätzlich bis zum 31. Mai 2020 bestehende Verbot aufgehoben wird.

Eine Begrenzung auf den Bereich der Vereine, Sport- und Freizeiteinrichtungen verkennt die seit Jahren andauernde stetige Entwicklung im Breitensport…., solche Aktivitäten zunehmend in gewerblichen Fitnessstudios zu entfalten. Bereits 2017 wurde in einer Studie festgestellt, dass die Bedeutung kommerzieller Bewegungsangebote sich auch gerade im Vergleich mit den traditionellen Angeboten der Sportvereine zeige; während diese eine Stagnation erlebten, boome das Geschäft von Fitnessstudios.

Ein taugliches Differenzierungskriterium gegenüber dem Breitensport findet sich (auch) nicht in der naheliegenden Unterscheidung in kommerzielle und nicht-kommerzielle Angebote. Dies übersieht, dass auch durch die Mitglied-schaft in Vereinen regelmäßig finanzielle Ausgaben verursacht werden und zum anderen, dass diese Unterscheidung im Hinblick auf die infektionsschutz-rechtliche Zielrichtung der Verordnung kein taugliches Abgrenzungskriterium bietet.

III.

Die Entscheidung stammt aus dem Mai 2020.
Sie dürfte aber vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Lockdown-Regelungen im Sportbereich von praktischer Bedeutung in allen Fällen sein, in denen für die Zulassung des Breitensports und der Öffnung von Fitnessstudios unterschiedliche Regelungen gelten.

Dresden, 14.03.2021

Lothar Hermes
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht