Prüfungsvorbereitung unter Corona-Bedingungen

Sachverhalt

Die Antragstellerin wendet sich dagegen, dass ihr die Antragsgegnerin nach Besuch des 10. Schuljahrgangs mit dem Realschul-Abschlusszeugnis vom 15. Juni 2020 nur den Sekundarabschluss I – Realschulabschluss zuerkannt hat und nicht den Erweiterten Sekundarabschluss I. Die Antrag-stellerin machte u.a. geltend, dass ihr unter den Bedingungen der Corona-Pandemie nicht genügend Vorbereitungszeit für die Prüfung zur Verfügung gestanden habe

Die Entscheidung

Leitsätze

1. Angebliche Mängel in der Prüfungsvorbereitung sind rechtzeitig, d.h. grundsätzlich vor Beginn der Prüfung und in unmittelbarem Zusammenhang mit dieser zu rügen.

2. Ein zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung führender Rechtsfehler liegt im Fall einer durch äußere Umstände beeinträchtigten Vorbereitungszeit vor, wenn eine angemessene, dem Gebot der Chancengleichheit entsprechende Vorbereitung auf die Prüfungen schlechterdings nicht möglich war.

3. Auch die Erschwernisse, die bei der Vorbereitung auf die schulischen Abschlussprüfungen aufgrund der COVID-19-Pandemie entstehen, entbinden die Schulen nicht von der Pflicht, die Noten für die Abschlussprüfungen allein anhand der von den Schülerinnen und Schülern erbrachten Leistungen zu bestimmen.

Gründe

Mängel in der Vorbereitung auf eine Prüfung, wie etwa eine zu kurze Vorbereitungszeit, können wie andere Ausbildungsmängel als Verfahrensfehler anzusehen sein. Damit begründen sie nicht nur einen Anspruch auf hinreichende Verlängerung der Ausbildungszeit, sondern führen zur Rechtswidrigkeit der Prüfungsentscheidung, wenn die Vorbereitung bzw. Ausbildung nach der Konzeption des betreffenden Bildungs- oder Studiengangs integrierter Bestandteil des Prüfungsvorgangs ist. Dies dient dazu, die Chancengleichheit in Prüfungen zu gewährleisten (vgl. VGH Baden-Württemberg, a.a.O., Rn. 17).

Die Schulen müssen bei der Vorbereitung etwa vorhandene spezielle rechtliche Vorgaben berücksichtigen. Darüber hinaus müssen sie bei den berufsrelevanten Abschlussprüfungen wegen des insoweit betroffenen Grundrechts der Schülerinnen und Schüler aus Art. 12 Abs. 1 des Grundgesetzes auch inhaltlich eine angemessene, auf die jeweiligen Prüfungsinhalte bezogene Prüfungsvorbereitung gewährleisten.

Jedoch ist der Prüfling zu einer rechtzeitigen Rüge dieses Verfahrensmangels verpflichtet.

Wird eine solche Rüge nicht vor den Abschlussprüfungen (§ 27 AVO-Sek I) und in unmittelbarem Zusammenhang mit diesen erhoben, sondern erst im Widerspruchsverfahren, hat sich der Prüfling vorbehaltlos auf die Prüfung eingelassen. Die Rüge ist dann verspätet erhoben. Die nachträgliche Beanstandung (angeblicher) Vorbereitungsdefizite ist ihr aus Gründen der Chancengleichheit verwehrt.

Anmerkung:

Die Entscheidung entspricht der herrschenden Rechtsprechung zu der Rechtzeitigkeit der Rügeerhebung. Es ist zu raten im Zweifel die Rüge so rechtzeitig wie möglich zu erheben.
Eine Zulassung verspäteter Rügen verstößt gegen den Grundsatz der Chancengleichheit, der im Prüfungsrecht von zentraler Bedeutung ist.

Dresden, 04.02.2021

Lothar Hermes
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht