Verfassungswidrige Unteralimentation der Beamten

Entscheidung  zu  Besoldung von Richtern im Land Berlin

Bundesverfassungsgericht, Beschl. v. 04.05.2020, 2 BvL 4/18

Der Dienstherr ist verpflichtet, seinen Beamten/innen eine amtsangemessene Besoldung zukommen zu lassen. Dabei hat er entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren.

Zwar hat der Dienstherr dabei einen weiten Entscheidungsspielraum. Jedoch darf er keine sogenannte Unteralimentierung vornehmen. Hierfür hat er das sogenannte Abstandsgebot zu beachten. Dieses wirkt in zweierlei Hinsicht.

Zwischen den einzelnen Besoldungsstufen muss jeweils ein spürbarer Abstand bestehen.

Gleichzeitig muss die Alimentierung der untersten Besoldungsstufe spürbar, nämlich 15 % über der Grundsicherung liegen, die eine Familie nach SGB II erhält. Diese beinhaltet nicht nur den Eigenbedarf für Erwachsene und Kinder sowie die Wohnkosten, sondern auch Bildung und Teilhabe, Sozialtarife und Beitragsbefreiung für Kinderbetreuung. Diese Positionen müssen als ersparte Aufwendungen mit hinzugerechnet werden, um den sogenannten Grundsicherungsbedarf festzulegen.

Der Beamte in der niedrigsten Besoldungsstufe muss zumindest eine um 15 % höhere Besoldung erhalten als eine vergleichbare Familie, in der niemand erwerbstätig ist.

Dabei ergeben sich je nach Bundesland durchaus unterschiedliche Grundsicherungsbeträge. Sie sind maßgeblich abhängig von den Wohnungskosten. Diese sind nach Auffassung der BVerfG mit 95 % der durchschnittlichen anerkannten Wohnkosten in der betreffenden Stadt/Region in Ansatz zu bringen

Da sich somit die Besoldung der untersten Besoldungsgruppe in absoluten Zahlen genau berechnen lässt, bildet sie aufgrund des Abstandsgebotes die Basis für alle Vergütungen der höheren Besoldungsstufen.

So beträgt etwa das Grundsicherungsniveau für die Besoldungsstufe A 8 in Sachsen auf der Basis der Zahlen des Statistischen Bundesamtes 29.600,59 €. Bei einem Zuschlag von 15% ergibt sich eine Mindestbesoldung i.H.v. 34.040,67 Euro. Tatsächlich erhält der Beamte, verheiratet, 2 Kinder in Sachsen 30.272.24 € (Gehaltsrechner für den Öffentlichen Dienst, Beamtenbesoldung Sachsen 2020.

Hinzu gerechnet werden muss allerdings noch das Kindergeld, das sich bei einer Familie mit Grundleistungsberechtigung nicht einkommenserhöhend auswirkt.

Sofern nach Abzug von Steuer, Beiträge zur privaten Krankenversicherung die verbliebende Netto-Besoldung unter dem o.g. Betrag liegt, kann ein Verstoß gegen das Alimentations-prinzip gemäß Art. 33 Abs. 5 GG angenommen werden.

Auch für die Vergangenheit können die Differenzbeträge zwischen tatsächlicher Und Mindestalimentation noch rückwirkend gefordert werden, soweit der Beamte/Beamtin in den zurückliegenden Jahren diese als Verletzung des Alimentationsprinzips gerügt haben.

Dresden, 15.10.2020

Lothar Hermes
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht