Anspruch auf Wiederholung einer Notfallsanitäterprüfung im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes

Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 6. Februar 2023 – 2 B 307/22 –  

Leitsätze:

  1. Die Wiederholung einer Prüfung kann begehrt werden, wenn Mängel im Prüfungsverfahren vorliegen, die sich auf die Leistungsfeststellung und das Bewertungsergebnis ausgewirkt haben können. 
  2. Die in § 5 NotSan-APrV genannten Fachprüfer bilden denselben Personenkreis, der dann bei den konkreten in der Verordnung vorgesehenen Prüfungen eingesetzt werden kann – also auch in der in § 17 NotSan-APrV geregelten praktischen Prüfung. 
  3. Die Fachprüfer müssen daher nicht nur die in § 17 NotSan-APrV ausdrücklich vorgesehenen Voraussetzungen erfüllen, sondern auch die in § 5 NotSan-APrV enthaltenen weiteren Voraussetzungen. 

Das Verwaltungsgericht Leipzig hatte im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes der Landesdirektion Sachsen mit Beschluss vom 15.06.2023 im Wege der einstweiligen Anordnung aufgegeben, einen Prüfling vorläufig zu einer weiteren Wiederholungsprüfung des praktischen Teils der staatlichen Prüfung für Notfallsanitäterinnen und Notfallsanitäter im 1. Fallbeispiel (internistischer Notfall) zuzulassen. Die dagegen erhobene Beschwerde vor dem Sächsischen Oberverwaltungsgericht blieb ohne Erfolg. Das Beschwerdegericht begründete seine Entscheidung u.a. wie folgt:

Nach den Bestimmungen der NotSan-APrV ist zwischen dem Prüfungsausschuss und den für die Abnahme und Bewertung eines Prüfungsteils jeweils eingesetzten Mitgliedern des Prüfungsausschusses (Prüfungskommission) zu unterscheiden.

Der Prüfungsausschuss besteht aus einem fachlich geeigneten Vertreter der zuständigen Behörde oder einer von der Behörde mit der Wahrnehmung dieser Aufgabe betrauten fachlich geeigneten Person (Nr. 1), dem Schulleiter (Nr. 2) und den Fachprüfern nach Nr. 3 und 4 als weiteren Mitgliedern. Der Vertreter der Behörde ist Vorsitzender des Prüfungsausschusses. Der Prüfungsausschuss selbst nimmt aber keine Prüfung ab. Vielmehr sind die zur Durchführung der Prüfungen zu erfüllenden Aufgaben auf verschiedene Varianten ihrer Zusammenarbeit verteilt. Für den mündlichen und den praktischen Teil der staatlichen Ergänzungsprüfung weisen die §§ 18 und 19 NotSan-APrV dem Vorsitzenden und den dort genannten Fachprüfern jeweils eigenständig wahrzunehmende Aufgaben zu. 

Die in § 5 NotSan-APrV genannten Fachprüfer bilden denselben Personenkreis, der bei den in der Verordnung vorgesehenen Prüfungen eingesetzt werden kann, somit auch in der in § 17 NotSan-APrV geregelten praktischen Prüfung. Damit müssen Fachprüfer auch die in § 5 NotSan-APrV enthaltenen weiteren Voraussetzungen erfüllen. Das bedeutet insbesondere, dass für die konkrete praktische Prüfung solche Fachprüferinnen oder Fachprüfer bestellt werden sollen, die den Prüfling überwiegend ausgebildet haben. Ist dies nicht der Fall, leidet die Prüfung an einem erheblichen Verfahrensfehler, der einen Anspruch auf Wiederholung der Prüfung gewährt.

Da im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht geklärt werden konnte, ob die eingesetzten Prüfer den Prüfling tatsächlich überwiegend ausgebildet hatten, wurden die Erfolgsaussichten als offen bezeichnet. Damit wurde dem Prüfling der Anspruch eingeräumt, vorläufig eine Wiederholungsprüfung abzulegen.

Anmerkungen zu der Entscheidung:
Das SächsOVG hat darauf hingewiesen, dass dem Prüfling nicht vorgeworfen werden kann, den oben genannten Verfahrensfehler erst im Rahmen des Widerspruchsverfahrens geltend gemacht zu haben. Denn eine sofortige Rügepflicht bestehe nur für solche Prüfungshindernisse, die in der Sphäre des Prüflings selbst liegen (z.B. Beispiel Erkrankung) oder für ihn unmittelbar faktisch erkennbar seien.

Für den Prüfling ist von Bedeutung, dass er zeitnah eine Wiederholungsprüfung durchführen kann. Denn müsste er/sie das Ergebnis eines Klageverfahrens abwarten, so würde sich für ihn/sie die Möglichkeit des Bestehens der Wiederholungsprüfung um Jahre verzögern.

Dresden, 27.03.2024


Lothar Hermes
Rechtsanwalt und Fachanwalt für Veraltungsrecht